Anleitung: Dimensionierung nach DIN 1989
Zisternenplanung ist keine Gefühlssache, sondern Meteorologie und Mathematik. Wenn der Tank leer ist, musst du teures Trinkwasser nachspeisen ("Trinkwassernachspeisung"). Wenn er zu voll ist und nie überläuft, kippt die Biologie. Das Ziel ist die perfekte Balance.
1. Der Ertrag: Was kommt vom Dach?
Nicht jeder Tropfen Regen landet im Tank. Das Dachmaterial entscheidet über den Verlust.
| Dachart | Abflussbeiwert ($psi$) | Erklärung |
|---|---|---|
| Schrägdach (Ziegel/Schiefer) | 0,9 - 0,95 | Ideal. Das Wasser fließt fast komplett ab. |
| Flachdach (Kies) | 0,6 - 0,7 | Der Kies speichert Wasser, viel verdunstet wieder. |
| Gründach (Extensiv) | 0,3 - 0,5 | Problematisch für Zisternen! Pflanzen saugen das Wasser auf. Ertrag sehr gering und Wasser oft verfärbt (Huminsäuren). |
Formel: Projizierte Dachfläche ($m^2$) $ imes$ Jahresniederschlag ($mm$) $ imes$ Beiwert = Ertrag in Litern.
2. Die Technik: Filter & Beruhigung
Das Wasser soll klar und geruchlos sein. Dafür brauchst du 4 Reinigungsstufen in der Zisterne:
- Stufe 1: Der Filter (vor dem Tank). Wirbelfeinfilter oder Korbfilter. Trennt Laub und Moos vom Wasser. Wichtig: Muss regelmäßig gereinigt werden!
- Stufe 2: Der beruhigte Zulauf. Das Wasser darf nicht "reinplätschern" und den Bodensatz aufwirbeln. Es wird über ein Rohr bis zum Boden geführt und strömt sanft ein. Sauerstoff gelangt in den unteren Bereich (gut für Mikrobiologie).
- Stufe 3: Der Überlaufsiphon. Nimmt die Oberflächenschicht (Pollen) ab ("Skimming-Effekt") beim Überlaufen. Dient auch als Geruchsverschluss zum Kanal und Rattenschutz.
- Stufe 4: Die schwimmende Entnahme. Die Pumpe saugt nicht am Boden (Dreck!) und nicht an der Oberfläche, sondern ca. 15cm unter dem Wasserspiegel, wo das Wasser am saubersten ist.
Ökonomie: Die brutale Wahrheit über die Amortisation
Lass uns ein Szenario durchrechnen, das Bauherren oft schöngerechnet wird.
Szenario: Hausnutzung (WC + WaMa)
4-Personen-Haushalt. Bedarf pro Jahr für WC und Waschmaschine: ca. 45 m³.
Investition: Betonzisterne 6.000L, Hauswasserwerk, Leitungen, Filter = 5.000 €.
45 m³ Trinkwasser à 2,20€ = 99,00 €
Abwassergebühr gespart? NEIN (da Einleitung in Kanal).
---------------------------------
Brutto-Ersparnis: 99,00 € / Jahr
Laufende Kosten:
Strom (Pumpe 800W, ca. 1 kWh/m³): 45 kWh * 0,35€ = -15,75 €
Wartung (Filter, Dichtungen): ca. -20,00 €
Rücklage (Neue Pumpe alle 15 Jahre): ca. -30,00 €
---------------------------------
Netto-Ersparnis: ca. 33,25 € / Jahr
Der ROI-Schock
Amortisationszeit = 5.000 € / 33,25 € ≈ 150 Jahre.
Selbst wenn der Wasserpreis sich verdoppelt, ist es ein Draufzahlgeschäft.
Aber: Das gilt für Regionen mit billigem Wasser. In Regionen mit extrem hohen Wasserpreisen oder Pflicht zum Regenrückhalt (Zisterne als Auflage der Baugenehmigung, sonst keine Genehmigung!) sieht es anders aus. Hier ist die Zisterne "Eh-da-Kosten" und muss nicht amortisiert werden, sondern nur die Betriebskosten decken.
Gartenbewässerung (Der Sonderfall)
Hier fällt KEINE Abwassergebühr an. Wenn du 1 m³ trinkwasser gießt, zahlst du oft Wasser + Abwasser (Gesamt ca. 5€), es sei denn, du hast einen separaten Gartenwasserzähler.
Mit Zisterne sparst du die kompletten 5€ (wenn kein Zähler) oder 2€ (wenn Zähler).
Problem: Der Garten braucht im Sommer viel Wasser, genau dann regnet es wenig. Die Zisterne ist oft nach 2 Wochen leer. Dann gießt du doch wieder mit Leitungswasser.
Realitäts-Check: Was schiefgehen kann
Technik unter der Erde ist wartungsintensiv.
1. Die Nachspeisung (Hygiene-GAU)
Wenn die Zisterne leer ist, muss Trinkwasser rein, damit die Toiletten noch spülen.
Verboten: Einfach einen Gartenschlauch in die Zisterne hängen. Wenn der Druck abfällt, können Bakterien aus der Zisterne ins öffentliche Trinkwassernetz gesaugt werden. Straftatbestand!
Pflicht: "Freier Auslauf". Das Trinkwasser muss über einen Trichter mit Abstand in einen Behälter fließen, von wo es die Pumpe ansaugt. Das entsprechende Modul kostet ca. 500-800€.
2. Die Pumpe (Lärm & Strom)
Hauswasserwerke stehen oft im Keller. Sie sind laut (60-80 dB). Wenn nachts jemand spült, wacht das Haus auf.
Lösung: Tauchdruckpumpe in der Zisterne. Man hört nichts. Aber: Wenn sie kaputt ist, musst du in die kalte, dunkle Zisterne klettern.
3. Das "Umkippen"
Wenn eine Zisterne zu groß dimensioniert ist (z.B. 10.000 Liter für ein kleines Dach), wird das Wasser nie komplett ausgetauscht. Im Sommer erwärmt es sich über 15-18 Grad. Anaerobe Bakterien vermehren sich. Das Wasser stinkt nach faulen Eiern (Schwefelwasserstoff).
Regel: Lieber etwas kleiner dimensionieren, damit der Durchsatz hoch ist.
🔗 Dein Wissensnetzwerk: Wasser & Garten
Wasser ist ein Kreislauf. Nutze es smart.
Pool füllen mit Regenwasser?
Klingt verlockend, ist aber riskant. Regenwasser ist sauer und voller organischer Stoffe. Es kippt im Pool schneller und braucht viel mehr Chemie. Lies hier nach.
Regenwasser zum Waschen
Wenn du Regenwasser nutzt, brauchst du viel weniger Waschmittel. Berechne hier dein Sparpotenzial bei der Dosierung.
Pumpe mit Solarstrom
Die Zisternenpumpe verbraucht Strom. Ein Balkonkraftwerk kann diesen Verbrauch (zumindest tagsüber beim Gießen) kompensieren.
5.000€ im ETF vs. Zisterne
Was bringt mehr Rendite? 5.000€ in eine Zisterne zu stecken oder in einen weltweiten Aktien-ETF? Das Ergebnis wird dich überraschen.
Sammle Regen, aber verbrenne kein Geld.